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    3 months ago

    Deutsche haben eine komplett geistesgestörte Einstellung zu Lohnarbeit und Loyalität. Hier darf nur Arbeit heißen, was weh tut. Spaß oder Erfüllung ist sekundär bis negativ (nur faule Schweine kommen entspannt von der Arbeit).

    Selbstständig machen eh nicht, vieeeeeel zu riskant. Lieber Jahrzehnte in einem beschissenen Job vegetieren, natürlich auch nicht zum Psychologen gehen und auf jeden Fall mit Erkältung an die Arbeit (wenn man nicht blutet oder sich was gebrochen hat, ist man nicht krank).

    Und dann wundern, wenn der Körper irgendwann den Geist aufgibt. Aber hey, kein Ding, immerhin gilt man dann bei den Nachbarn als fleißig.

    • leisesprecher@feddit.org
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      3 months ago

      Gerade bei Selbstständigkeit ist das Problem ja nicht nur das Risiko, sondern der teilweise riesige Overhead für Verwaltung.

      Ich hatte kurz überlegt, mich als Softwareentwickler selbstständig zu machen, aber auf den ganzen Papierkram hab ich echt keinen Bock.

      • aaaaaaaaargh@feddit.org
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        3 months ago

        Das ist aber auch eine Angst, die sich sehr hält. In der Realität aber ist das gar nicht mehr so kompliziert. Ich war auch mal freiberuflicher IT-ler, die Anmeldung war echt einfach. Ich hab im Grunde eine formlose Meldung ans Finanzamt gemacht mitsamt Nachweis der Qualifikation (in meinem Fall war das der Uni-Abschluss) und dann hab ich eine Steuernummer bekommen und los ging’s. Den Rest macht der Steuerberater, den empfehle ich absolut und unbedingt. Kostet so um die 100€ im Monat und nochmal etwa 1000€ für den Jahresabschluss, aber das fällt eigentlich nicht weiter ins Gewicht.

        Buchhaltung habe ich damals selbst gemacht, weil es da auch mittlerweile echt einfache Lösungen gibt. Ich hatte SevDesk, das ist ein Onlinesystem für Rechnungen und Buchhaltung. Auch das kann ein Steuerberater übernehmen, kostet dann ein paar Euro mehr, aber lohnt sich auch meiner Meinung nach. Du verdienst ja dann entsprechend und kannst das wiederum auch von der Steuer absetzen (macht der Steuerberater in der Regel automatisch für dich).

        Soweit ich mich erinnere, muss man sich nicht mal beim Gewerbeamt melden, weil freiberufliche Tätigkeiten nicht als Gewerbe gelten. Da schlag aber lieber nochmal selbst nach. Aber hab keine Angst, es ist total machbar.

        Faustregel: Rechne immer mit etwa 50% dessen, was du umsetzt als Reingewinn. Das sollte in den meisten Zeiten annährend dem entsprechen, was du abzüglich Steuern und Sozialabgaben für dich rausbekommst. Krankenkasse liegt bei etwa 1000€ im Monat. Du kannst darüber hinaus entscheiden, ob du in der gesetzlichen Rentenversicherung sein möchtest. Solltest du das tun, kommt nochmal ein Kostenblock in etwa der gleichen Höhe dabei heraus. Du verdienst freiberuflich meist entsprechend, dass du dir beides leisten kannst, dennoch solltest du die mageren Zeiten (Jahresanfang und Urlaubszeit in der Mitte) mit berücksichtigen und ein paar Rücklagen bilden. Wenn man den Zyklus ein oder zwei Mal durchgewandert ist, dann hat man den Cashflow aber in der Regel verstanden und dann gibt’s auch keine Probleme mehr.

        Wichtiger ist die Akquise. Hier kann ich nur sagen, netzwerken ist alles. Von den Auftragsbrokern im Netz halte ich persönlich nichts. Die haben meistens keine Ahnung, wovon sie reden und vermitteln daher auch gerne Unfug. Aber es ist dennoch ein guter Start. Wenn man aber ein paar Jahre im Beruf war, dann kennt man in der Regel auch jemanden, der jemanden kennt und so weiter. Das ist aus meiner Erfahrung das A und O.

        Wenn du dazu Fragen hast, meld dich gern - ich gebe gern ein paar Tipps, wenn sie dir helfen, den Schritt zu wagen.

        • leisesprecher@feddit.org
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          3 months ago

          So und jetzt überleg mal, was du hier gerade gemacht hast. Mehrere Absätze darüber, dass man nur 200€ im Monat hierfür zahlen muss und dann noch hier was und Akquise und bla und blub.

          … Oder ich geh einfach arbeiten, muss mich mit dem Scheiß nicht rumschlagen und hab trotzdem über 4000€ netto auf dem Konto. Vielleicht könnte ich mehr machen, wenn ich selbstständig wäre, aber das ist einfach nicht attraktiv.

          Und du darfst nicht vergessen, dass die IT hier noch relativ einfach ist. Gerade als Handwerker hast du häufig noch das Problem, dass Leute nicht zahlen.

          • aaaaaaaaargh@feddit.org
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            3 months ago

            So und jetzt überleg mal, was du hier gerade gemacht hast. Mehrere Absätze darüber, dass man nur 200€ im Monat hierfür zahlen muss und dann noch hier was und Akquise und bla und blub.

            Was ich gemacht hab? Ich wollte dir doch nur etwas helfen, reinzukommen. Ja natürlich muss man was tun - was genau erwartest du? Ist dein jetziger Job so unkomplex und zeichnet so einen Kontrast? Kann ich mir bei 4k netto nicht vorstellen.

            Nochmal: Es ist nicht kompliziert. Ich hätte auch schreiben können: Tätigkeit beim FA melden, Steuerberater nehmen (wenn du bei deinem Gehalt keinen hast, machst du da übrigens was falsch), Aufträge besorgen und anfangen. Ich wollte es eben nur etwas genauer beschreiben.

            Oder ich geh einfach arbeiten, muss mich mit dem Scheiß nicht rumschlagen und hab trotzdem über 4000€ netto auf dem Konto.

            Natürlich kannst du das, die Entscheidung steht dir immer frei.

            Vielleicht könnte ich mehr machen, wenn ich selbstständig wäre, aber das ist einfach nicht attraktiv.

            Ich hatte Zeiten, in denen ich als Freiberufler locker fünfstellig netto im Monat verdient habe. Und schlechte Monate waren das, was bei dir gerade monatlich ankommt. Ich habe darüber hinaus in der Regel nicht mehr als 3 Tage die Woche gearbeitet, meistens weniger, und war mein eigener Chef, was mir persönlich extrem viel bedeutet. Und nein, ich hatte weder Glück noch Beziehungen noch sonstwas, ich hab’s einfach nur gemacht, als eine Gelegenheit kam. Ich würde schon meinen, dass das attraktiv ist. Das gleiche Geld erarbeitest du auch gerade, die Differenz geht dann an deine Firma. Simplifikation hat immer ihren Preis.

            Und du darfst nicht vergessen, dass die IT hier noch relativ einfach ist. Gerade als Handwerker hast du häufig noch das Problem, dass Leute nicht zahlen.

            Das stimmt. Aber ich hab ja mit dir geredet und wir sind beide IT’ler. Das Problem ist aber hier, dass es verkürzt gesagt nur in Bereichen wie den unseren vergleichsweise sicher scheint. Das hat mit Bürokratie zu tun und auch mit Abgabenlast, richtig, aber auch mit dem Unwillen der Leute, sich überhaupt mit so einer Perspektive zu beschäftigen und nichts für ungut, aber du hast das gerade auch etwas vorgeführt.

            Umgedrehtes Argument: Viele Menschen verdienen vermutlich nicht annährend deine 4000 Euro netto. Und viele Menschen hassen ihren Job. In anderen Ländern ist da die Selbstständigkeit respektive Selbstverwirklichung ein realistisches Ziel, hier schuftet man sich lieber für Konzerne wund und das hat meiner Meinung nach mehr historische als rationale Gründe. Ich sage ja nur, vielleicht wäre so ein Weg trotz aller Steinigkeit dennoch hier und da eine Überlegung wert.

            • leisesprecher@feddit.org
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              3 months ago

              Es geht doch nicht darum, dass ich es nicht könnte, sondern darum, dass ich keine Lust darauf habe.

              Ich will nicht nicht mit sowas rumschlagen müssen. Ich will nicht ständig in chaotische Projekte reingezogen werden, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen oder alle 6-18 Monate komplett neu anzufangen.

              Und der Elefant im Raum: wenn es so toll ist, warum bist du dann nicht mehr selbstständig? War wohl doch nicht so toll.

              Es hat schon seinen Grund, warum so viele Entwickler nach ein paar Jahren wieder in die Anstellung gehen.

              • aaaaaaaaargh@feddit.org
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                3 months ago

                Es geht doch nicht darum, dass ich es nicht könnte, sondern darum, dass ich keine Lust darauf habe.

                Das las sich eingangs für mich anders.

                Ich will nicht nicht mit sowas rumschlagen müssen. Ich will nicht ständig in chaotische Projekte reingezogen werden, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen oder alle 6-18 Monate komplett neu anzufangen.

                Du hast es noch nie probiert, aber bist maximal voreingenommen. Naja, was soll ich da sagen?

                Und der Elefant im Raum: wenn es so toll ist, warum bist du dann nicht mehr selbstständig? War wohl doch nicht so toll.

                Ich hab mittlerweile eine GmbH gegründet und für mich arbeiten 10 Entwickler. Doch, war schon toll.

                Es hat schon seinen Grund, warum so viele Entwickler nach ein paar Jahren wieder in die Anstellung gehen.

                Es hat auch seinen Grund, warum so viele Entwickler das nicht tun und besonders im Alter in die Freiberuflichkeit wechseln. Keine Ahnung, wie lange du den Job schon machst, bei mir sind es jetzt bald 25 Jahre und mich hat es genervt, jeden Tag den gleichen Mist machen zu müssen. Ich bin sehr froh, dass ich heute für mich entscheiden kann, wohin die Reise geht.

    • connaisseur@feddit.org
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      3 months ago

      Der Lebensstil mit geleastem Protzwagen vor dem gerade noch so mit irrer Hypothek finanzierten Einfamilienhaus muss eben irgendwie bezahlt sein.

    • Onionguy@lemm.eeOP
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      3 months ago

      Es gibt da ein sehr interessantes Buch “Das Erbe der Kriegsenkel” von Matthias Lohre Das beleuchtet die Psyche der Deutschen und die Gründe hinter diesen Einstellungen sehr sehr gut. Ich empfehl es jedem wärmstens.

      Buch

          • aaaaaaaaargh@feddit.org
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            3 months ago

            Auf jeden Fall! Ich lese gern Dinge in diese Richtung. Habe mir letztens nach Jahren wieder “Auswege aus dem Kapitalismus” von André Gorz gegönnt, der einem auch einen ganz interessanten Einblick in die Kreisläufe der Konsumgesellschaft bietet.

  • sebsch@discuss.tchncs.de
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    3 months ago

    Tbf Pünktlichkeit und Disziplin (im Sinne der Berechenbarkeit) reduziert meiner Erfahrung nach das Burnout Risiko

    • Onionguy@lemm.eeOP
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      3 months ago

      Ich hab einige Burnoutbetroffene kennengelernt und sie hatten bis jetz alle gemeinsam dass sie ihre eigenen Bedürfnisse der Arbeit komplett untergeordnet haben. Und viele Chefs hatten, die das natürlich gerne ausnutzen, weil sie den Mensch als Ressource sehen und nich als Individuum mit Belastbarkeitsgrenzen und Bedürfnissen.

      • cows_are_underrated@feddit.org
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        3 months ago

        Das kann gut sein, aber was gemeint war ist halt dass wenn man Diszipliniert im Alltag ist und andere sich auch auf die Pünktlichkeit von einem verlassen können sorgt dies für einen reibungslosen Ablauf und sorgt auch dafür dass man dann evtl keine Überstunden schieben muss(wenn z. B. ein Projekt dringend fertig werden muss) oder man halt zu Hause auch mehr Freizeit hat, weil man die privaten Verpflichtungen schnell erledigt.

    • rumschlumpel@feddit.org
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      3 months ago

      “Pünktlich wie die Maurer” heißt, dass man pünktlich Feierabend macht und keine Überstunden schiebt!

  • rumschlumpel@feddit.org
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    3 months ago

    Deutsche arbeiten tatsächlich recht wenig im europäischen und weltweiten Vergleich. Kann natürlich sein, dass sie anders arbeiten (z.B. “Arbeit ist Arbeit, Freizeit ist Freizeit”) und entsprechend unentspannter sind auf der Arbeit.

        • Aniki@feddit.org
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          3 months ago

          Also wenn ich mir diese Grafik so ansehe:

          Dann frage ich mich schon, was das soll.

          Ist das einfach der Mittelwert aller Stundenwochen aller Berufstätigen?

          Weil wenn ja, dann wäre das ja mal völlig unbrauchbar.

          Es könnte zum Beispiel sein, dass der Durchschnitt in Deutschland einfach niedriger ist, weil hier auch Frauen Teilzeit arbeiten, während in Griechenland eben Frauen einfach gar nicht arbeiten.

          Klar sinkt dadurch der Durchschnitt, aber insgesamt wird ja dadurch logischerweise trotzdem mehr gearbeitet. Also ist das eine völlig irreführende Grafik.

          • connaisseur@feddit.org
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            3 months ago

            Steht ja auch so im Artikel, daher halte ich diese Vergleiche für völligen Humbug. Sie taugen nur als populistische Argumentationsgrundlage für Arbeitgeber und Parteien, die das Narrativ des faulen Mitarbeiters bedienen wollen.

            Das schlechte Ranking für Deutschland in dieser Statistik liege vor allem daran, dass die Arbeitsstunden von Menschen in Voll- und Teilzeit in eine gemeinsame Tabelle eingeflossen sind. “Im europäischen Vergleich arbeiten in Deutschland vergleichsweise viel mehr Menschen in Teilzeit. Das verzerrt das Ergebnis.”

            • Das Känguru@feddit.orgB
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              3 months ago

              Arbeitgeber

              Eigentlich ist der sogenannte Arbeitgeber der Arbeitnehmer und der sogenannte Arbeitnehmer der Arbeitgeber.

        • rumschlumpel@feddit.org
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          3 months ago

          Danke für die Verlinkung.

          mMn ist Produktivität in diesen Statistiken einfach nicht das Thema. Egal wie viel Produktivität, 30h/Woche zu arbeiten ist für die Arbeitnehmer gesünder als 50h/Woche - immer vorrausgesetzt, man hat dann genug Geld.

          • Das Känguru@feddit.orgB
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            3 months ago

            Arbeitnehmer

            Der Arbeitnehmer gibt seine Arbeit dem Arbeitgeber und der Arbeitgeber nimmt die Arbeit des Arbeitnehmers und verwertet diese zu seinem Gewinn.